Mit einem überraschenden Plädoyer für die „Demut“ setzte
der Göttinger Neutestamentler Professor Reinhard Feldmeier ein. Sein Vortrag
„Macht, Dienst und Demut“ stand im Mittelpunkt des Sterntreffens des
Kaiserswerther Verbandes in der Henriettenstiftung am Sonnabend, 16. Oktober 2010.
Zugleich wurde der Wiederaufbaus der Mutterhauskirche gedacht, die im Herbst 1960
nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg an gleicher Stelle neu entstand.
Außerdem eröffnete an diesem Tag Oberin i.R. Helga Darenberg das Kunstprojekt
„Menschen machen Eindruck“ der Künstlerin Anke Sondhof.
Oberin Pastorin Heike Löhr hieß die Gäste willkommen. Mehr als
200 Besucher waren gekommen, darunter über 160 Teilnehmerinnen aus befreundeten
Mutterhäusern des Kaiserswerther Verbandes, von Bremen über Bethel bis hin nach Stuttgart.
Eine Wiederentdeckung eines alten und doch auch korrumpierten Begriffs leitete der Göttinger Theologieprofessor Reinhard Feldmeier ein: Demut ist nicht zu verwechseln mit ihrer Entartung einer „inszenierten Aufopferung als hinterhältige Art der Unterdrückung anderer, die Heuchelei berechnender Unterwürfigkeit oder Selbsterniedrigung als trostlose religiöse Zwanghaftigkeit“. Vielmehr zeigte Feldmeier anhand neutestamentlicher Belege: „Die Demut ist das Gegenteil eines Lebens der Selbstüberhebung und Selbstdarstellung, Demut ist ein Leben, das auch dem andern Raum zum Atmen und zur Entfaltung lässt, kurz: Demut ist eine Gestalt der Liebe.“
Dabei jedoch ist Demut nicht verbunden mit Unterwürfigkeit und Machtlosigkeit.
„Wer dient, ist alles andere als ohnmächig. Er hat eine eigene Autorität,
eine geistliche Macht, die freilich nicht die laute und aufdringliche Macht der Gewalt
ist, sondern die Macht der Liebe.“ Diese Ansicht ist alles andere als veraltet,
sondern höchst modern. Die Macht wird nicht dazu gebraucht zu herrschen und zu
unterdrücken, sondern dazu, zu ermächtigen. Es ist das Zueignen, das
Einflößen von Macht, so Feldmeier. Das kehrt heute in der moderner Managementlehre
wieder im Begriff des empowerment, der Ermächtigung und Ermutigung eines
anderen zum Handeln. „Das Evangelium ist eine Macht Gottes, die das Gegenüber
nicht entmächtigt, sondern ermächtigt, und die deshalb Gemeinschaft mit
andern nicht zerstört, sondern aufbaut.“
So verwies Feldmeier auf das Beispiel der Diakonissen. Über 150 Jahre haben
sie in diesem Sinne ihren Dienst getan. Gerade darin haben sie ihre wahrhaftige
Stärke gezeigt. „Wahre Größe zeigt sich nicht daran, wie sehr
ich andere in den Schatten zu stellen vermag, sondern daran, wie viel Licht durch
mich in das Leben der anderen fällt.“
Das Beispiel der Diakonissen nahm Landessuperintendent a.D. Dieter Zinßer in
seiner Predigt zum Jubiläum der Mutterhauskirche auf. Diese Kirche ist gefüllt
worden mit den Gebeten vieler Menschen, mit ihrem Lob und Dank und mit ihren Bitten.
„Ein Raum primär für die Schwesternschaft, für die Mitarbeitenden
der Stiftung in Altenheim, Pflegeheim, Krankenhaus, aber auch darüber hinaus
für die Anstaltsgemeinde.“ Allerdings, so Dieter Zinßer, durch die
Grundfeste vieler Kirchen laufen Risse.
Der Bestand der Kirche auch in Hannover ist
alles andere als gesichert. „Wir wissen, auch die Zukunft dieser Mauern steht
auf wankendem Fundament.“ Dennoch hat der Prophet Jesaja eine Vision vermittelt,
es gäbe ein festes Fundament, dem sich vertrauen lässt. „Bestand hat
nur der Glaube, der Glaube an Recht und Gerechtigkeit, an die Liebe Gottes und zu den
Menschen.“ Es wird weiter gehen „auch nach den Krisen unserer Tage“.
„Welche Zukunft für dieses Gebäude anbricht und für seine Gläubigen,
das steht in Gottes Händen — und damit in guten.“
Anschließend eröffnete Helga Darenberg das Kunstprojekt „Menschen
machen Eindruck“. Bei Veranstaltungen sind kleine Tontafeln mit den
Eindrucken von Fingern, Händen, Füßen der Besucher gesammelt worden.
Diese einzelnen Tontafeln sind jetzt zu einem Größeren zusammengewachsen.
Sie sind zu Fußwegplatten zusammengefügt worden, die in den Plattenweg des Parks
in der Henriettenstiftung eingelassen sind. In diesem Projekt, so Helga Darenberg,
„repräsentiert sich Gemeinschaft in vielen Schwestern und Brüdern
aus verschiedenen Schwesternschaften und Diakonischen Gemeinschaften der Mutterhausdiakonie
und all den Menschen, die sich auf das Miteinander und Füreinander in der ihnen
gemäßen Art und Weise täglich neu einlassen.“ Dieser Weg mit
den Tontafeln lädt ein zum Nachdenken. „Was braucht unser Alltag, unsere
Zeit, was brauchen wir selbst nicht dringender als lebensförderliche, sinnstiftende,
heilende Bilder von Gemeinschaft?!“
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