„Diese Schnabeltasse haben wir auch noch unsern Patienten gegeben.“
Und: „Diese altertümlichen Spritzen habe ich noch lange aufgehoben.“
Mit diesen und anderen Erinnerungen konnten die vier Besucherinnen aufwarten, als
sie jetzt die Ausstellung „Als die Schwester noch mit dem Fahrrad kam“
besuchten. Mehr als 600 Besucherinnen und Besucher, darunter viele Schulklassen und
Gemeindegruppen, haben bislang die ungewöhnliche Erlebnisausstellung besichtigt,
so auch diese vier Damen. Sie haben mehrere Jahrzehnte in einer Sozialstation in
Hannover gearbeitet und die Wandlungsprozesse in diesem sozialen Feld hautnah mitbekommen.
Zuerst war es die Gemeindeschwesternstation, dann – Mitte der 70er Jahre –
die Sozialstation und jetzt die Diakoniestation, die sich im Wettbewerb der anderen
Anbieter behaupten muss.
Die Veränderungen lassen sich an Kulturen ablesen. Die Gemeindeschwester nahm
sich viel Zeit für Gespräche, aber sie wohnte auch in der Gemeindestation
unter einfachen Verhältnissen und war immer für ihre Patienten und deren
Familien da. Dann kam die Sozialstation, die mehrere Gemeindeschwestern zusammenfasste.
Vertretungsregelungen wurden leichter möglich, die Arbeitszeiten überschaubarer.
Aber es wurde damals erstmals auf „abrechenbare Leistungen“ geachtet.
Schwestern wurden angehalten, genügend Leistungen zu erbringen, die die Krankenkassen
bezahlten. Und jetzt? Jetzt muss alles finanziert sein zu geringen Preisen mit
höchst möglicher Effizienz. Leistungen werden im Minutenraster erfasst.
Nur so kann eine Diakoniestation im Wettbewerb der vielen Anbieter bestehen. Für
Gespräche bleibt (fast) keine Zeit mehr. Und gerade die sind so nötig…
Erinnerungen tauschten auch die Oberinnen aus, die aus Norddeutschlands Häusern
des Kaiserswerther Verbandes, des Dachverbandes der Diakonissen, zu Besuch in die
Henriettenstiftung kamen. Sie probierten denn auch gleich den Cocktailsessel aus,
der die fast echt wirkende Fotowand mit Blick in das schlichte Wohn- und Schlafzimmer
einer Gemeindeschwester der 50er Jahre zum Erlebnis der Vergangenheit werden ließ.
Besonders beeindruckte sie der Margarethen-Schrank, der Gemeindeschwesternstationen
vor allem in Norddeutschland zierte. Denn er enthielt viele hilfreiche Utensilien
für die Pflege zu Hause. Wer etwas benötigte, lieh sich diese Geräte
aus, und wer konnte, zahlte auch noch einen kleinen Obolus als Margarethen-Spende
oben in einen kleinen Kasten des Schranks. „Allerliebst“ wirkt so etwas
heute, erläutert Ausstellungsmacherin Ulrike Tüpker, und es hat doch mit
fast 1.000 Exemplaren in Norddeutschland die Pflegekultur geprägt. Mit diesen
Eindrücken fuhren sie wieder zurück in ihre Einrichtungen z.B. nach Braunschweig,
Rothenburg an der Wümme, Lehnin.
Gleich alle beiden Ausstellungen in der Henriettenstiftung nahmen die Teilnehmer
und Teilnehmerinnen einer Ausbildungsklasse „Sozialassistenz“ mit.
„Was ist denn der Sinn dieser Cartoons“, fragte einer der jungen Besucher,
und musste denn doch auf eine befriedigende Antwort warten. Karikaturen zum Thema
Behinderung können provozieren, nachdenklich machen, zum Gespräch anregen –
vor allem aber zum Lachen auffordern. Denn Lachen schafft auch Distanz für eigene
Überlegungen. Gegenwärtige und vergangene Berufspraxis konnten sie dann
vergleichen in der Ausstellung zur Geschichte der ambulanten Pflege. Für Teilnehmenden
war es auch die Auseinandersetzung mit einer ihnen zunächst fernen Welt, denn
Worte wie Zuwendung, Mitmenschlichkeit, Empathie erschließen ihnen neue Vorstellungen
ihrer Lebenswelt.
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