Mit Charme, Humor und umfangreicher Kenntnis machte Anna Eunike Röhrig mit den
Lebensläufen von Henriette von Württemberg und Marie von Hannover bekannt.
Mehr als 70 Gäste erlebten am Donnerstag, 12. August 2010, 18.00 Uhr im Atrium
des Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung eine spannende Lesung. Damit wurden die
beiden Gründungspersönlichkeiten der Henriettenstiftung in Hannover einem
breiten Publikum vorgestellt.
Henriette von Württemberg wurde 1780 in Kirchheim Bolanden in der Pfalz geboren.
Sie war das 13. Kind ihrer Mutter, die insgesamt zwanzig Schwangerschaften erlebte
und mit 46 Jahren auch für damalige Zeiten relativ früh verstarb. Ihrer
Mutter Caroline war für Henriette Vorbild für soziale Tätigkeit. Über ihre
Mutter hieß es, sie sei die „großmütigste Beschützerin
der Armen“ gewesen. Auch ihr Vater war sozialpolitisch engagiert, reformierte
beispielsweise das Schulwesen seines Landes. Henriette musste in jungen Jahren vor
dem französischen Revolutionsheer fliehen und kam schließlich in Bayreuth
unter. Dort lernte sie 1796 ihren späteren Mann kennen, der als Soldat in preußischen,
später russischen Diensten stand, sich aber vor allem durch hohe Schulden einen
Namen machte. Das brachte ihn in Polen sogar in den Schuldturm, und sein Bruder, der
König von Württemberg, musste ihn auslösen. Dieser verbannte seinen
Bruder in Württembergischen Landen nach Kirchheim unter Teck. Dort starb er 1817.
Damals war Henriette 37 Jahre alt.
Erst jetzt konnte sie ihr soziales Engagement entfalten. Sie gründete Frauenherbergen,
Krankenhäuser, Hilfeeinrichtungen und Feuerwehren sowie Kindertagesstätten.
Außerdem richtete sie Armenspeisungen ein. Das alles geschah aus christlicher
Motivation heraus. Sie stand dem Pietismus nahe und gründete die erste Diakonissenanstalt
Württembergs. Damit übernahm sie das Konzept aus Kaiserswerth bei Düsseldorf,
wo 1837 die erste Diakonissenanstalt Deutschlands gegründet worden war. Aber
sie bat den damaligen Gründer und Leiter von Kaiserswerth, Theodor Fliedner,
für ihre Diakonissenanstalt nur württembergische Frauen auszubilden. Ihr
widerstrebte es, Düsseldorfer Damen in Württemberg tätig werden zu
sehen. Henriette war auf ihre Weise eine moderne Frau. Sie war als Wohltäterin
tätig, aber – weil ihr Vermögen nicht alles ermöglichen konnte –
auch als Fundraiserin. Sie ermutigte andere zu Spenden, etwa für die Elisabethstiftung
in Württemberg, die lange Zeit vor allem jungen Müttern gegen eine mögliche
Überforderung half und ihnen zeitweise Haushaltshilfen zur Verfügung stellte.
Henriette hinterließ ihrer Enkelin Marie von Hannover das Erbe von 6.000 hannoverschen
Gulden. Auch deren Leben verlief nicht ohne Brüche. Schon als Kind wurde sie
damit konfrontiert, dass ihre Eltern – im Zuge einer Neuordnung der Territorien –
ihre bisherige Residenz aufgeben und eine andere übernehmen mussten. Zudem verunsicherten
sie die bürgerlichen Revolutionen von 1832 und 1848 stark, weil sie die Demokratiebewegung
als Angriff auf das gottgewollte Königtum verstand. Allerdings spürte sie
auch die Verpflichtung zu mehr sozialer Verantwortung des Adels. So gründete sie
die Henriettenstiftung als Krankenhaus und Kindertagesstätte. Später kam
eine Altenpflegeabteilung hinzu. Und sie organisierte sie als Diakonissenmutterhaus
nach Kaiserswerther Vorbild nach dem Modell ihrer Großmutter.
In den 40er Jahren lernte sie bei einem Kuraufenthalt den Thronfolger im Königreich
Hannover kennen. Die beiden heirateten, doch ganz einverstanden war der erzkonservative
Schwiegervater Ernst-August nicht mit seiner Schwiegertochter. So störte er sich
an modernen Sitten, etwa dass Marie eines ihrer Säuglinge persönlich stillte
statt dies einer Amme zu überlassen. Oder er fand es merkwürdig, dass das
Thronfolgerpaar eine Kutsche nahm, statt wie damals üblich getrennt in zwei Kutschen
zu reisen. Dafür aber wurde das Haus der beiden zum Treffpunkt von Künstlern.
Doch die Idylle blieb nicht. Als Georg V. den Thron bestiegen hatte, wuchs die
Auseinandersetzung mit dem Nachbarn Preußen. Bismarck strebte nach einer Vereinigung
Deutschlands. Dieser Konflikt nahm geradezu groteske Züge an, als Georg V.
dem mächtigen Nachbarn den Bau einer Telegrafenleitung über hannoversches Gebiet
verweigerte. Welche Rolle Königin Marie bei diesen Auseinandersetzungen spielte,
ist umstritten. Das Urteil der Historiker ist gespalten. Manche hielten sie für
die weitreichenden Entscheidungen der Politik nicht für weitblickend genug.
Hannover wurde 1866 von Preußen annektiert und zur Provinz. Marie folgte ihrem
Mann nach Gmunden, wo sie 1907 starb. Ihre Stiftung überdauerte die Zeiten.
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